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Hallo, Ihr Log-Besucher!

Hier ist er nun also, mein erster richtiger Eintrag in diesem Tagebuch. Wie der Name meines Weblogs ja schon sagt, dreht sich hier alles um die Seele und um dasjenige, was sie zu nähren vermag.

Für mich sind dies immer wieder bestimmte innere Haltungen und Wahrnehmungsweisen, die der Seele Raum für ihren eigenen Ausdruck geben. Wie Ihr im Laufe der Zeit gewiss noch merken werdet, bin ich in diesem Bereich stark von meinen Lebensansätzen in den 70ziger und 80ziger Jahren geprägt. Dies war für mich eine Zeit, in der ich mich auf die Suche nach anderen Lebensformen machte und meine Seele in einem tieferen Sinne zu entdecken begann. Wenn mein Schicksal mich inzwischen auch in andere Lebensbezüge gestellt hat, so ist mir diese innere Haltung und Ausrichtung von damals doch geblieben. So freue ich mich auch immer, wenn sie mir auch in unserer Zeit von irgendwoher wieder einmal freundlich zuwinkt. Viele dieser "Begegnungen" finden über Bücher statt, da ich eine begeisterte Leserin bin. Erst kürzlich durfte ich ein Buch aus meinen damaligen "Wanderjahren" wiederentdecken. Viele von Euch werden es gewiss kennen. Es handelt sich um "Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten" von Robert M. Pirsig. Seit vielen, vielen Jahren habe ich dieses Buch nicht mehr gelesen. Als es mir neulich aber wieder einmal in die Hände fiel, durfte ich feststellen, dass sein Inhalt für mich immer noch einen tiefen inneren Wahrheitsgehalt birgt.

Und diesen würde ich gerne mit Euch teilen, indem ich Euch einen kleinen Ausschnitt aus diesem wunderbaren Werk vorstelle. Es handelt sich um die ersten Zeilen des Buches, welche bereits eine Haltung durchscheinen lassen, die unser aller Seelen gewiss gut tun würde.

Ich wünsche Euch eine inspirierende Reise durch die nachfolgend vorgestellten (Seelen-) Landschaften!

Seid in diesem Sinne herzlich gegrüßt

von Sarah-Lee

Robert M. Pirsig - "Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten"
Ohne die Hand vom linken Griff des Motorradlenkers zu nehmen, kann ich auf meiner Uhr sehen, dass es halb neun ist. Der Fahrtwind ist sogar bei sechzig Meilen pro Stunde warm und feucht. Ich frage mich, wie es erst am Nachmittag werden soll, wenn es schon um halb neun so schwül ist.
In den Wind mischen sich stechende Gerüche von den Sümpfen an der Strasse. Wir sind in einem Teil der Central Plains, in dem dicht beieinander Tausende von Ententümpeln liegen, und fahren nordwärts, von Minneapolis nach den Dakotas. Auf der alten zweispurigen Betonstrasse ist nicht mehr viel Verkehr, seit vor einigen Jahren parallel dazu eine vierspurige gebaut wurde. Wenn wir durch sumpfiges Gelände fahren, kühlt sich die Luft spürbar ab. Kaum liegt es hinter uns, erwärmt sie sich wieder.
Ich bin glücklich, wieder in dieses Land zu kommen. Es ist eine Art Nirgendwo, eine Gegend, die für nichts berühmt und gerade deshalb irgendwie anziehend ist. Spannungen lösen sich, wenn man auf so einer alten Straße fährt. Wir holpern über den ramponierten Beton, rechts und links ziehen Rohrkolben vorbei, ab und zu ein Stück Wiese, dann wieder Rohrkolben, Spartgras. Hier und da blinkt offenes Wasser, und wenn man genau hinschaut, kann man Wildenten am Rande der Rohrkolben sehen. Und Schildkröten. Da, ein Sumpfhordenvogel.
Ich klatsche Chris auf Knie und zeige in die Richtung.
"Was?", schreit er.
"Sumpfhordenvogel!"
Er sagt etwas, aber ich kann ihn nicht verstehen. "Was?", schreie ich zurück.
Er hält sich hinten an meinem Helm fest und schreit zu mir herauf: "Hab' ich schon massenweise gesehen, Dad!"
"Ach so", schreie ich zurück. Dann nicke ich. Mit elf Jahren ist man von Sumpfhordenvögeln nicht sonderlich beeindruckt.
Dazu muss man erst älter werden. Für mich sind da überall Erinnerungen, die er nicht hat. Kalte Morgen, vor langer Zeit, das Spartgras hatte sich braun gefärbt, und die Rohrkolben schwankten im Nordwestwind. Der stechende Geruch kam damals von dem Schlamm, den wir mit unseren hüfthohen Wasserstiefeln aufwühlten, wenn wir vor Sonnenaufgang auf den Anstand gingen, um die Entenjagd zu eröffnen. Oder die Winter, wenn die Tümpel zugefroren und tot waren und ich über Eis und Schnee durch die abgestorbenen Rohrkolben wandern konnte und nichts sah als grauen Himmel und Totes und Kälte. Dann waren die Sumpfhordenvögel fort. Aber jetzt im Julis sind sie alle wieder da, alles ist quicklebendig und jeder Fußbreit dieser Sümpfe zirpt und summt und schnarrt und zwitschert, eine Gemeinschaft von Millionen lebender Wesen, deren Dasein sich in einem friedvollen Kontinuum erfüllt.
Wenn man mit dem Motorrad Ferien macht, sieht man die Welt mit anderen Augen an. Im Auto sitzt man ja immer in einem Abteil und weil man so daran gewöhnt ist, merkt man nicht, dass alles, was man durchs Autofenster sieht, auch wieder bloß Fernsehen ist. Man ist passiver Zuschauer, und alles zieht gleichförmig eingerahmt vorüber.
Auf dem Motorrad ist der Rahmen weg. Man ist mit allem ganz in Fühlung. Man ist mitten drin in der Szene, anstatt sie nur zu betrachten, und das Gefühl der Gegenwärtigkeit ist überwältigend. Der Beton, der da fünf Zoll unter den Füßen durchwischt, ist echt, derselbe Stoff, auf dem man geht, er ist wirklich so, so unscharf zwar, dass er sich nicht fixieren lässt, aber man kann jederzeit den Fuß darauf stellen und ihn berühren; man erlebt alles direkt nichts ist auch nur einen Augenblick dem unmittelbaren Bewusstsein entzogen.
Chris und ich fahren mit Freunden, die ein Stück vor uns sind, nach Montana und vielleicht noch weiter. Wir haben bewusst keine festen Pläne gemacht, weil Fahren uns wichtiger ist als das Ankommen. Wir machen einfach Ferien. Landstrassen zweiter Ordnung ziehen wir vor. Asphaltierte Bezirksstrassen stehen ganz oben, dann kommen Staatsstrassen, Autobahnen meiden wir, wo es geht. Wir wollen gut vorankommen, aber die Betonung liegt für uns mehr auf dem "gut" als auf dem "vorankommen", und mit dieser Akzentverschiebung stellt sich ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit ein. Gewundene Bergstrassen sind lang, wenn man nach Sekunden rechnet, aber sie machen viel mehr Spaß, wenn man sich mit dem Motorrad in die Kurve legt, statt dass es einen in irgendeinem Abteil von einer Seite auf die andere zieht. Straßen mit wenig Verkehr sind erfreulicher und außerdem sicherer, Strassen ohne Drive-in-Restaurants und Reklametafeln, Strassen, bei denen Wäldchen und Wiesen und Obstgärten und Rasenflächen fast bis an die Bankette heranreichen, wo einem im Vorüberfahren Kinder zuwinken, wo die Leute von der Veranda aufschauen um zu sehen, wer da kommt, wo die Antworten, wenn man anhält, um nach dem Weg zu fragen oder andere Auskunft zu erbitten, meist länger ausfallen als erwartet, wo die Leute wissen wollen, woher man kommt und wie lange man schon unterwegs ist.
Es ist jetzt ein paar Jahre her, dass meine Frau und ich und unsere Freunde zum erstenmal auf den Gedanken kamen, diese Landstrassen zu benutzen. Wir nahmen sie ab und zu, um mal was Neues auszuprobieren oder als Abkürzung zu einer anderen Fernverkehrsstrasse, und jedes Mal war die Landschaft großartig und wir waren hinterher froh und entspannt. Das wiederholte sich viele Male, bevor uns endlich aufging, was wir eigentlich von Anfang an hätten merken müssen: Diese Landstrassen sind mit den großen Fernstrassen überhaupt nicht zu vergleichen. Der Lebensrhytmus der Leute, die an diesen Strassen wohnen, ist anders, ihre ganze Art ist anders. Sie sind nicht ständig irgendwohin unterwegs. Sie sind nicht zu beschäftigt, um höflich zu sein. Sie kennen sich aus im Hier und Jetzt der Dinge. Nur die anderen, die vor Jahren in die Städte gezogen sind, und ihre verlorenen Nachkommen, die haben es fast völlig vergessen. Für uns war es eine richtige Entdeckung.
Ich habe mich oft gefragt, warum wir erst so spät darauf kamen. Wir sahen es und sahen es doch nicht. Oder besser gesagt, wir waren darauf abgerichtet, es nicht zu sehen. Vielleicht weil man uns eingeredet hatte, das wirkliche Leben spiele sich in den Großstädten ab, und das da sei nichts weiter als langweilige Provinz. Es ist wirklich eigenartig. Da klopft die Wahrheit an die Tür, und man sagt ihr: "Geh, ich warte auf die Wahrheit", und dann geht sie eben. Eigenartig.
Aber als wir es endlich wussten, konnte uns natürlich nichts mehr von diesen Strassen abbringen, an Wochenenden, an Feierabenden, in den Ferien. Wir sind richtige Landstrassenfans geworden mit unseren Motorrädern und haben mit der Zeit einiges dazugelernt.
Zum Beispiel haben wir gelernt, schon auf der Karte die richtigen Strassen ausfindig zu machen. Wenn die Linie sich schlängelt, ist das ein gutes Zeichen. Denn das bedeutet Berge. Wenn es sich aber um die mutmaßliche Hauptverbindung zwischen einer kleineren und einer großen Stadt handelt, dann ist das ein schlechtes Zeichen. Die besten Strassen sind immer diejenigen, die einen abgelegenen Flecken mit einem anderen verbinden und zu denen es eine Parallelstrasse gibt, auf der man schneller ans Ziel kommt. Fährt man von einer größeren Stadt aus nach Nordosten, dann geht es nie lange geradeaus. Kaum ist man auf dem flachen Land, schwenkt die Route nach Norden, dann nach Osten, dann wieder nach Norden, und schon bald ist man auf einer kleinen Landstrasse, die nur von den Einheimischen benutzt wird.
Vor allem aber muss man lernen, sich nicht zu verfahren. Da die Strassen nur von den Einheimischen benutzt werden, die sich sowieso auskennen, beschwert sich niemand, wenn die Kreuzungen nicht beschildert sind. Oft genug sind sie es nicht. Und wenn, dann höchstens mit einem kleinen Wegweiser, der unaufdringlich im hohen Gras am Straßenrand steht. Übersieht einer diesen Wegeweiser im Gras, dann ist das sein Problem, nicht das der Einheimischen. Obendrein stellt man fest, dass die Autokarten es mit den kleinen Landstrassen oft nicht so genau nehmen. Und immer wieder einmal passiert es einem, dass aus einer "Bezirksstrasse" ein Fahrweg wird, dann ein schmaler Feldweg, der auf eine Weide führt und einfach aufhört; oder man landet auf dem Hinterhof einer Farm.
So orientieren wir uns hauptsächlich an der Himmelsrichtung und der zurückgelegten Strecke und versuchen im übrigen, jeden Hinweis zu deuten, der sich uns bietet. Ich habe in einer Tasche einen Kompass für bedeckte Tage an denen man sich nicht nach der Sonne richten kann, und die Karte haben ich in einer Spezialtasche auf dem Benzintank befestigt, so dass ich die seit der letzten Kreuzung zurückgelegte Strecke verfolgen kann und immer weiß, worauf ich achten muss. Mit diesen Hilfsmitteln und ohne den Zwang, zu bestimmter Zeit irgendwo anzukommen, geht es wunderbar, und wir haben Amerika beinahe ganz für uns allein.
An verlängerten Wochenenden fahren wir auf diesen Strassen oft meilenweit, ohne einem anderen Fahrzeug zu begegnen, und dann kreuzen wir eine Fernverkehrsstrasse und betrachten die Autokolonnen, Stoßstange an Stoßstange bis zum Horizont. Drinnen missmutige Gesichter. Auf dem Rücksitz schreiende Kinder. Dann wünsche ich mir immer, dass es eine Möglichkeit gäbe, ihnen etwas zu sagen, aber sie sind so mssßmutig und haben es offenbar so furchtbar eilig, und außerdem......
Ich habe diese Sümpfe schon tausendmal gesehen, aber sie sind jedes Mal wieder neu. Es ist falsch, sie friedvoll zu nennen. Man könnte sie genauso gut als grausam und sinnlos bezeichnen, denn das sind sie auch, aber ihre Realität lässt Halbheiten nicht zu. Da! Ein riesiger Schwarm Sumpfhordenvögel fliegt aus seiner Nistkolonie in den Rohrkolben auf, durch unser Geräusch aufgeschreckt. Wieder gebe ich Chris einen Klaps aufs Knie..... dann fällt mir ein dass er das ja schon kennt.
"Was?", schreit er auch diesmal.
"Nichts."
"Sag doch."
"Ich wollte nur sehen, ob Du noch da bist", schreie ich, und dann wird kein Wort mehr gewechselt.
Wenn man nicht gerade gerne schreit, führt man auf dem Motorrad keine langen Gespräche. Lieber hält man die Augen offen und denkt über alles mögliche nach. Darüber, was man sieht und hört, über die Stimmung des Wetters und über Erinnerungen, über die Maschine und die Landschaft, durch die man fährt, denkt ausgiebig und in Ruhe über die Dinge nach, ohne Hast und ohne das Gefühl, Zeit zu verlieren.
Ich möchte gerne die vor uns liegende Zeit dazu nutzen, über manches zu sprechen, was mich schon länger beschäftigt. Wir haben es ja meistens so eilig, dass wir kaum einmal richtig zum Reden kommen. Die Folge davon ist ein tägliches seichtes Einerlei, eine endlose Monotonie, die uns nach Jahren verwundert fragen lässt, wo denn die ganze Zeit geblieben ist, und bedauern, dass sie unwiederbringlich dahin ist. Jetzt aber, da wir etwas Zeit haben und es auch wissen, möchte ich sie nützen und mit einiger Tiefe von Dingen reden, die mir wichtig scheinen.
Was ich mir vorstelle, ist eine Chautauqua - eine andere Bezeichnung fällt mir nicht ein - nach Art jener wandernden Sommerschulen, die einst mit ihren Zelten durch Amerika zogen, dieses Amerika, dasselbe, in dem wir uns jetzt befinden, und populäre Vorträge hielten, die erbauen und unterhalten, den Verstand schärfen und den Zuhörern Kultur und Aufklärung bringen sollten. Die Chautauquas mussten dem hektischeren Rundfunk, Film und Fernsehen weichen, und es scheint, dass dieser Wandel sich nicht nur zum Guten ausgewirkt hat. Vielleicht aufgrund dieser Veränderung fließt der Bewusstseinsstrom der Nation schneller und breiter aber er ist wohl auch seichter geworden. Die alten Kanäle fassen ihn nicht mehr, und auf seiner Suche nach neuen richtete er an seinen Ufern zunehmend Chaos und Zerstörung an. In dieser Chautauqua möchte ich keine neuen Bewusstseinskanäle ausheben, sondern lediglich die alten ein bisschen vertiefen, die angefüllt sind mit dem Schlick schal gewordener Gedanken und zu oft wiederholter Plattheiten. "Was gibt es Neues?" ist eine ewig interessante, ins Breite gehende Frage, die aber, geht man allein ihr nach, nur zu einer endlosen Kette von Trivialitäten und Modeerscheinungen führt, dem Schlick von morgen. Ich möchte mich statt dessen mit der Frage "Was ist das Beste?" befassen, einer Frage, die in die Tiefe geht statt in die Breite und deren Antworten den Schlick flussabwärts schwemmen können. Es gab in der Geschichte der Menschen Zeitalter, in denen die Kanäle des Denkens zu tief eingegraben und Veränderungen daher unmöglich waren; in diesen Epochen geschah nie etwas Neues, und die Frage nach dem "Besten" wurde dogmatisch entschieden, aber so ist es heute nicht mehr. Jetzt, so scheint mir, reißt der Strom unseres kollektiven Bewusstseins seine eigenen Ufer fort, kennt seine große Richtung, seine Bestimmung nicht mehr, überflutet die Niederungen und isoliert die Höhen, besinnungslos nur dem ungelenkten Antrieb gehorchend, den die Trägheit seiner Masse verleiht. Ein gewisses Vertiefen der Kanäle tut not.
 

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