Alles in der Welt ist sinnvoll und wundervoll für ein Paar offener Augen.

Probleme
Es gibt kein Problem, das nicht auch ein Geschenk
für dich in den Händen trüge.
Du suchst Probleme, weil du ihre
Geschenke brauchst.

Stille
In der Stille angekommen
gehe ich in mich,
stehe ich zu meinen Stärken
und Schwächen,
liegen mir mein Leben
und die Liebe am Herzen.
In der Stille angekommen,
sehe ich mich, dich, euch
und die Welt mit anderen Augen,
mit den Augen des Herzens.
In der Stille angekommen,
höre ich auf mein Inneres,
spüre ich Geborgenheit,
lerne ich Gelassenheit,
tanke ich Vertrauen

Erkranktes
Das Krankhafte kann nicht einfach
wie ein Fremdkörper beseitigt werden,
ohne dass man Gefahr läuft,
zugleich das Wesentliche,
das auch leben sollte, zu zerstören.
Unsere Aufgabe besteht nicht darin,
es zu vernichten,
sondern wir sollten vielmehr das,
was wachsen will,
hegen und pflegen,
bis es schließlich seine Rolle
in der Ganzheit der Seele spielen kann.

Seele
Augen sind die Fenster der Seele.

Ungelöstes
Habe Geduld gegen alles Ungelöste in Deinem Herzen
und versuche, die Fragen selbst lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben und wie Bücher,
die in einer fremden Sprache geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach den Antworten,
die dir nicht gegeben werden können.
Es handelt sich darum,
alles zu leben.
Lebe jetzt die Fragen.
Vielleicht lebst du dann allmählich,
ohne es zu merken,
eines fernen Tages in die Antwort hinein.

Verletzungen
Wenn wir verletzbar werden,
schmilzt der Widerstand,
und das Wachstum kann beginnen.

Das wahre Selbst
Du wirst Zeit deines Lebens
Von dem inneren, lernenden Wesen gelenkt,
von dem verspielten, geistigen Geschöpf,
das dein wahres Selbst ist.
Wende dich nicht ab von möglichen
Ereignissen der Zukunft,
ehe du sicher bist, dass du
nichts aus ihnen zu lernen hast.
Du kannst es dir jederzeit anders überlegen,
dir eine andere Zukunft aussuchen
oder eine andere Vergangenheit.

Entwicklung
Entwicklung beruht allein
auf der Veränderung der Sichtweise .
Alle äußeren Funktionen sind
immer nur Ausdruck der neuen Sicht.
Es gibt in dieser Welt nichts zu ändern
außer der eigenen Sicht bei Problemen.
Und hierbei gilt: Erkenne Dich selbst!
Sich selbst verbessern heißt nur,
sich selbst so sehen zu lernen,
wie man ist!
Unser Ich macht uns krank,
das Selbst ist heil.
Der Weg der Heilung ist
der Weg aus dem Ich zum Selbst,
aus der Gefangenschaft in die Freiheit,
aus der Polarität zur Einheit.
Das Fehlende muss ich sehen lernen!

Familie
Die Bande, die deine wahre Familie vereinen,
sind nicht aus Blut, sondern aus Freude am eigenen
und Achtung vor anderem Leben.
Nur selten wachsen Mitglieder einer Familie
unter dem gleichen Dach auf.

Lebendigkeit
Frage nicht, was die Welt braucht,
frage lieber, was Dich lebendig macht.
Dann gehe hin und tue es,
denn was die Welt braucht,
sind Menschen, die lebendig geworden sind.

Wünsche
Niemals wird dir ein Wunsch gegeben,
ohne dass dir auch die Kraft verliehen wurde,
ihn zu verwirklichen.
Es mag allerdings sein,
dass du dich dafür anstrengen musst.

Gelassenheit
Die Gelassenheit ist
die anmutigste Form
des Selbstbewusstseins

Einkehr
Das Zentrum ist vielleicht
die Verschiebung der Frage

Irrtümer
Nur durch Irrtümer
können wir neue Schätze
des Menschseins entdecken

Hebt man den Blick, so sieht man keine Grenzen!
Seid gegrüßt, Ihr Weblog-Reisende!
Vielleicht ist heute ja wieder einer der Tage, an denen Ihr Euch nicht so ganz wohl in Eurer Haut fühlt? Ein Tag, an dem andere wieder jede Menge an Euch auszusetzen haben und Ihr es der Umwelt einfach nicht recht machen könnt - vielleicht auch nicht recht machen wollt? Eventuell befindet Ihr Euch ja auch schon seit einiger Zeit in einer Phase der Wandlung, die - wie es ihr nun einmal eigen ist - von Selbstzweifeln und Unsicherheiten geprägt ist?
Wir können diese Tage und Phasen gewisslich nicht vermeiden und wenn wir sie als Chance zu neuem innerem Wachstum für unser wahres Selbst sehen, ist dies wahrscheinlich auch gar nicht wünschenswert. Dennoch setzen uns diese Tage und Phasen verständlicherweise zu. Es kostet Kraft, sich selber in aller Unsicherheit und Zerbrechlichkeit auszuhalten und noch anstrengender wird es, wenn wir uns zur gleichen Zeit nach außen selbstsicher und leistungsfähig darstellen müssen oder wollen.
Und natürlich liegt jeder Chance auch die Möglichkeit des Scheiterns inne. Nicht jede Chance können wir nutzen, nicht jede steht uns bis zur Erfüllung zur Verfügung. Oftmals müssen Chancen auch unerfüllt vergehen, bis in unserer Seele ein Nährboden zustande gekommen ist, der die Saat der nächsten Chance in sich tragen und wachsen lassen kann.
Dennoch - und gerade deshalb - ist es gut und hilfreich, wenn es andere Menschen, Worte, Lieder und Bilder gibt, die uns ermutigen, wir selbst zu bleiben oder zu uns selbst zu werden und verhindern, dass der Zweifel so groß wird, dass wir aufgeben.
Einer der Menschen, der auf meinem Weg mit seinem Worten immer wieder für Ermutigung und Trost in Zeiten des Zweifels sorgt, ist Ulrich Schaffer, dem ich heute in meinem Tagebuch mit den nachfolgenden Zeilen einen Platz einräumen möchte.
Zeilen, die ich gerne all denen widmen möchte, die sich momentan auf der Suche befinden. Auf der Suche nach sich und anderen Menschen, nach einem besseren Leben, einem erfüllenderen Lebenssinn, einer Gesundung, einer inneren Reifung, innerem Frieden und vielem mehr - wonach auch immer ihr suchen möget.
Sarah-Lee

Deine Würde kommt von deiner Beziehung Zu dir selbst. Niemand kann dich entwürdigen, nur du selbst kannst es. Und die Würde, die andere dir geben, kann nie die Würde ersetzen, die du selbst dir gibst. Alles beginnt in dir. Vielleicht ist nichts so spannend, wie die Gestaltung der leeren Momente, der freien Plätze, der unverstellten Räume, der unbewohnten Gegenden deines Lebens. Fülle sie nicht mit dem, was andere dir anbieten, nicht mit dem Überfluss der Welt, nicht mit den Spielzeugen, die dich ablenken, nicht mit den Dingen, die dich arm machen, oder mit Gedanken, die dich gefangen setzen, nicht mit dem bunten Abfall, der dich entwürdigt. Gib der Kleinigkeit nicht nach. Nimm wahr, dass du auch aus Löchern bestehst, die nicht gestopft werden müssen, die aber mit Bedeutung gefüllt werden können. Weite ist deine Berufung. Kannst du dir vorstellen, jetzt, in deinem Alter, noch neue Haltungen zu entwickeln, ungewohnte Einstellungen zu üben, und nicht schon im Voraus zu wissen, wie es am besten ist? Oder hast du dich so festgelegt und festlegen lassen, dass jede Veränderung dir zu anstrengend ist? Kannst du dich noch in Frage stellen, dich herausfordern etwas Neues zu wagen, anstatt dich immer nur zu wiederholen? Lass dich von dir selbst überraschen! In dir gibt es noch Reichtum an Unerschlossenem, Wirklichkeiten, die erlebt werden wollen, Gedanken, die in Taten umgesetzt werden wollen. Kannst du noch aufbrechen? Vielleicht ist nichts wichtiger Als deiner reifen Liebe eine einmalige Gestalt zu geben, sie nicht mehr nach Mustern und Vorbildern zu gestalten, deren innere Welten du nicht kennst. Immer mehr löst du dich aus dem, wie andere es sehen, wie das übergroße "man" alles sieht, und immer mehr ist jetzt wichtig zu verstehen, dass deine Art zu lieben ein Teil des ganzen Bildes ist. Mach aus deinem Leben Ein Seminar der Zuwendung, eine Feier des Verstehens, ein Fest der Liebe.
Falls Ihr den vollständigen Text lesen möchtet, braucht Ihr nur hier zu klicken:

Hallo, Ihr Weblog-Reisende!
Heute möchte ich Euch auf die oftmals seltsamen Pfade der Liebe entführen und dazu mit Euch ein wenig in die Vergangenheit reisen. Genauer gesagt in die Zeit der Jahrhundertwende um 1800, in der die nachfolgende Geschichte geschrieben wurde. Die Sprache dieses Textes mutet uns wahrscheinlich altertümlich bis merkwürdig an, dennoch spricht sie auch heute noch zu uns. Denn es ist die Sprache der Romantik, die Sprache des Herzens, die da zu uns spricht. Nicht nur der Inhalt der Geschichte, sondern auch die Geschichte selber in ihrem Erhalt durch die verschiedenen Lebens-Epochen zeigt uns, wie zeitlos gültig und ewig die Liebe ist, wie sehr wir ihrer bedürfen und wie sehr sie unser aller Leben prägt. Doch noch etwas anderes scheint mir in ihr zu liegen. Der Glaube an die Kraft der Liebe, die sich auch ohne den geliebten Menschen halten und ein ganzes Leben leiten und prägen kann, sofern wir dies zulassen. Liebe ist wohl immer ein Schicksal, ein Wunder, ein Bedürfnis, tiefe Freude und ebenso tiefes Leid. Aber neben all dem ist sie auch eine Wahl, für die wir uns - manchmal gegen alle Enttäuschungen und Schmerzen - entscheiden können. Die Wahl, die Welt durch die Augen der Liebe zu sehen, die Liebe in uns zu bewahren und zu halten, selbst wenn der geliebte Mensch schon gegangen sein mag. Denn die Dinge sind nicht wie sie sind, sondern sie sind, wie sie gesehen und empfunden werden. Ihren eigentlichen Glanz aber bekommen sie, wenn sie sind, wie sie geliebt werden!
Es grüßt Euch mit Liebe
Sarah-Lee
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Von J. P. Hebel
(1760 - 1826)
In Falun in Schweden küsste vor guten fünfzig Jahren und mehr ein junger Bergmann seine junge, hübsche Braut und sagte zu ihr: "Auf Sankt Lucia wird unsere Liebe von des Priesters Hand gesegnet. Dann sind wir Mann und Weib und bauen uns ein eigenes Nestlein." - "Und Friede und Liebe soll darin wohnen", sagte die schöne Braut mit holdem Lächeln, "denn du bist mein einziges und alles, und ohne dich möchte ich lieber im Grab sein als an einem anderen Ort". Als sie aber vor Sankt Lucia der Pfarrer zum zweiten Male in der Kirche ausgerufen hatte: "So nun jemand Hindernis wüsste anzuzeigen, warum diese Personen nicht möchten ehelich zusammenkommen", da meldete sich der Tod. Denn als der Jüngling den anderen Morgen in seiner schwarzen Bergmannskleidung an ihrem Haus vorbeiging, der Bergmann hat sein Totenkleid immer an, da klopfte er zwar noch einmal an ihrem Fenster und sagte ihr guten Morgen, aber keinen guten Abend mehr. Er kam nimmer aus dem Bergewerk zurück, und sie säumte vergeblich selbigen Morgen ein schwarzes Halstuch mit rotem Rand für ihn zum Hochzeitstage, sondern als er nimmer kam, legte sie es weg und weinte um ihn und vergaß ihn nie. Unterdessen wurde die Stadt Lissabon in Portugal durch ein Erdbeben zerstört, und der Siebenjährige Krieg ging vorüber, und Kaiser Franz der Erste starb, und der Jesuitenorden wurde aufgehoben und Polen geteilt, und die Kaiserin Maria Theresia starb und der Struensee wurde hingerichtet, Amerika wurde frei, und die vereinigte französische und spanische Macht konnte Gibraltar nicht erobern. Die Türken schlossen den General Stein in der Veteraner Höhle von Ungarn ein, und der Kaiser Joseph starb auch. Der König Gustav von Schweden eroberte Russisch-Finnland, und die Französische Revolution und der lange Krieg fing an, und der Kaiser Leopold der Zweite ging auch ins Grab. Napoleon eroberte Preußen, und die Engländer bombardierten Kopenhagen, und die Ackerleute säeten und schnitten. Der Müller mahlte, und die Schmiede hämmerten, und die Bergleute gruben nach den Metalladern in ihrer unterirdischen Werkstatt. Als aber die Bergleute in Falun im Jahr 1890 etwas vor oder nach Johannis zwischen zwei Schachten eine Öffnung durchgraben wollten, gute dreihundert Ellen tief unter dem Boden, gruben sie aus dem Schutt und Vitriolwasser den Leichnam eines Jünglings heraus, der ganz mit Eisenvitriol durchdrungen, sonst aber unverwest und unverändert war, also dass man seine Gesichtszüge und sein Alter noch völlig erkennen konnte, als wenn er erst vor einer Stunde gestorben oder ein wenig eingeschlafen wäre an der Arbeit. Als man ihn aber zu Tag ausgefördert hatte, Vater und Mutter, Gefreundte und Bekannte waren schon lange tot, kein Mensch wollte den schlafenden Jüngling kennen oder etwas von seinem Unglück wissen, bis die ehemalige Verlobte des Bergmanns kam, der eines Tages auf die Schicht gegangen war und nimmer zurückkehrte. Grau und zusammengeschrumpft kam sie an einer Krücke an den Platz und erkannte ihren Bräutigam; und mehr mit freudigem Entzücken als mit Schmerz sank sie auf die geliebte Leiche nieder , und erst als sie sich von einer langen heftigen Bewegung des Gemüts erholt hatte; "es ist mein Verlobter", sagte sie endlich, "um den ich fünfzig Jahre lang getrauert hatte und den mich Gott noch einmal sehen lässt vor meinem Ende. Acht Tage vor der Hochzeit ist er auf die Grube gegangen und nimmer gekommen." Da wurden die Gemüter aller Umstehenden von Wehmut und Tränen ergriffen, als sie sahen die ehemalige Braut jetzt in der Gestalt des hingewelkten kraftlosen Alters und den Bräutigam noch in seiner jugendlichen Schöne, und wie in ihrer Brust nach fünfzig Jahren die Flamme der jugendlichen Liebe noch einmal erwachte; aber er öffnete den Mund nimmer zum Lächeln oder die Augen zum Wiedererkennen; und wie sie ihn endlich von den Bergleuten in ihr Stübchen tragen ließ, als die einzige, die ihm angehörte und ein Recht an ihn habe, bis sein Grab gerüstet war auf dem Kirchhof. Den anderen Tag, als das Grab gerüstet war auf dem Kirchhof und ihn die Bergleute holten, schloss sie ein Kästchen auf, legte ihm das schwarz-seidene Halstuch mit roten Streifen um und begleitete ihn in ihrem Sonntagsgewand, als wenn es ihr Hochzeitstag und nicht der Tag seiner Beerdigung wäre. Denn als man ihn auf dem Kirchhof ins Grab legte, sagte sie: "Schlafe nun wohl, noch einen Tag oder zehn im kühlen Hochzeitsbett, und lass dir die Zeit nicht lang werden. Ich habe nur noch wenig zu tun und komme bald, und bald wird’s wieder Tag. Was die Erde einmal wiedergegeben hat, wird sie zum zweiten Male auch nicht behalten", sagte sie, als sie fortging und sich noch einmal umschaute.
Hier ist er nun also, mein erster richtiger Eintrag in diesem Tagebuch. Wie der Name meines Weblogs ja schon sagt, dreht sich hier alles um die Seele und um dasjenige, was sie zu nähren vermag.
Für mich sind dies immer wieder bestimmte innere Haltungen und Wahrnehmungsweisen, die der Seele Raum für ihren eigenen Ausdruck geben. Wie Ihr im Laufe der Zeit gewiss noch merken werdet, bin ich in diesem Bereich stark von meinen Lebensansätzen in den 70ziger und 80ziger Jahren geprägt. Dies war für mich eine Zeit, in der ich mich auf die Suche nach anderen Lebensformen machte und meine Seele in einem tieferen Sinne zu entdecken begann. Wenn mein Schicksal mich inzwischen auch in andere Lebensbezüge gestellt hat, so ist mir diese innere Haltung und Ausrichtung von damals doch geblieben. So freue ich mich auch immer, wenn sie mir auch in unserer Zeit von irgendwoher wieder einmal freundlich zuwinkt. Viele dieser "Begegnungen" finden über Bücher statt, da ich eine begeisterte Leserin bin. Erst kürzlich durfte ich ein Buch aus meinen damaligen "Wanderjahren" wiederentdecken. Viele von Euch werden es gewiss kennen. Es handelt sich um "Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten" von Robert M. Pirsig. Seit vielen, vielen Jahren habe ich dieses Buch nicht mehr gelesen. Als es mir neulich aber wieder einmal in die Hände fiel, durfte ich feststellen, dass sein Inhalt für mich immer noch einen tiefen inneren Wahrheitsgehalt birgt.
Und diesen würde ich gerne mit Euch teilen, indem ich Euch einen kleinen Ausschnitt aus diesem wunderbaren Werk vorstelle. Es handelt sich um die ersten Zeilen des Buches, welche bereits eine Haltung durchscheinen lassen, die unser aller Seelen gewiss gut tun würde.
Ich wünsche Euch eine inspirierende Reise durch die nachfolgend vorgestellten (Seelen-) Landschaften!
Seid in diesem Sinne herzlich gegrüßt
von Sarah-Lee

In den Wind mischen sich stechende Gerüche von den Sümpfen an der Strasse. Wir sind in einem Teil der Central Plains, in dem dicht beieinander Tausende von Ententümpeln liegen, und fahren nordwärts, von Minneapolis nach den Dakotas. Auf der alten zweispurigen Betonstrasse ist nicht mehr viel Verkehr, seit vor einigen Jahren parallel dazu eine vierspurige gebaut wurde. Wenn wir durch sumpfiges Gelände fahren, kühlt sich die Luft spürbar ab. Kaum liegt es hinter uns, erwärmt sie sich wieder.
Ich bin glücklich, wieder in dieses Land zu kommen. Es ist eine Art Nirgendwo, eine Gegend, die für nichts berühmt und gerade deshalb irgendwie anziehend ist. Spannungen lösen sich, wenn man auf so einer alten Straße fährt. Wir holpern über den ramponierten Beton, rechts und links ziehen Rohrkolben vorbei, ab und zu ein Stück Wiese, dann wieder Rohrkolben, Spartgras. Hier und da blinkt offenes Wasser, und wenn man genau hinschaut, kann man Wildenten am Rande der Rohrkolben sehen. Und Schildkröten. Da, ein Sumpfhordenvogel.
Ich klatsche Chris auf Knie und zeige in die Richtung.
"Was?", schreit er.
"Sumpfhordenvogel!"
Er sagt etwas, aber ich kann ihn nicht verstehen. "Was?", schreie ich zurück.
Er hält sich hinten an meinem Helm fest und schreit zu mir herauf: "Hab' ich schon massenweise gesehen, Dad!"
"Ach so", schreie ich zurück. Dann nicke ich. Mit elf Jahren ist man von Sumpfhordenvögeln nicht sonderlich beeindruckt.
Dazu muss man erst älter werden. Für mich sind da überall Erinnerungen, die er nicht hat. Kalte Morgen, vor langer Zeit, das Spartgras hatte sich braun gefärbt, und die Rohrkolben schwankten im Nordwestwind. Der stechende Geruch kam damals von dem Schlamm, den wir mit unseren hüfthohen Wasserstiefeln aufwühlten, wenn wir vor Sonnenaufgang auf den Anstand gingen, um die Entenjagd zu eröffnen. Oder die Winter, wenn die Tümpel zugefroren und tot waren und ich über Eis und Schnee durch die abgestorbenen Rohrkolben wandern konnte und nichts sah als grauen Himmel und Totes und Kälte. Dann waren die Sumpfhordenvögel fort. Aber jetzt im Julis sind sie alle wieder da, alles ist quicklebendig und jeder Fußbreit dieser Sümpfe zirpt und summt und schnarrt und zwitschert, eine Gemeinschaft von Millionen lebender Wesen, deren Dasein sich in einem friedvollen Kontinuum erfüllt.
Wenn man mit dem Motorrad Ferien macht, sieht man die Welt mit anderen Augen an. Im Auto sitzt man ja immer in einem Abteil und weil man so daran gewöhnt ist, merkt man nicht, dass alles, was man durchs Autofenster sieht, auch wieder bloß Fernsehen ist. Man ist passiver Zuschauer, und alles zieht gleichförmig eingerahmt vorüber.
Auf dem Motorrad ist der Rahmen weg. Man ist mit allem ganz in Fühlung. Man ist mitten drin in der Szene, anstatt sie nur zu betrachten, und das Gefühl der Gegenwärtigkeit ist überwältigend. Der Beton, der da fünf Zoll unter den Füßen durchwischt, ist echt, derselbe Stoff, auf dem man geht, er ist wirklich so, so unscharf zwar, dass er sich nicht fixieren lässt, aber man kann jederzeit den Fuß darauf stellen und ihn berühren; man erlebt alles direkt nichts ist auch nur einen Augenblick dem unmittelbaren Bewusstsein entzogen.
Chris und ich fahren mit Freunden, die ein Stück vor uns sind, nach Montana und vielleicht noch weiter. Wir haben bewusst keine festen Pläne gemacht, weil Fahren uns wichtiger ist als das Ankommen. Wir machen einfach Ferien. Landstrassen zweiter Ordnung ziehen wir vor. Asphaltierte Bezirksstrassen stehen ganz oben, dann kommen Staatsstrassen, Autobahnen meiden wir, wo es geht. Wir wollen gut vorankommen, aber die Betonung liegt für uns mehr auf dem "gut" als auf dem "vorankommen", und mit dieser Akzentverschiebung stellt sich ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit ein. Gewundene Bergstrassen sind lang, wenn man nach Sekunden rechnet, aber sie machen viel mehr Spaß, wenn man sich mit dem Motorrad in die Kurve legt, statt dass es einen in irgendeinem Abteil von einer Seite auf die andere zieht. Straßen mit wenig Verkehr sind erfreulicher und außerdem sicherer, Strassen ohne Drive-in-Restaurants und Reklametafeln, Strassen, bei denen Wäldchen und Wiesen und Obstgärten und Rasenflächen fast bis an die Bankette heranreichen, wo einem im Vorüberfahren Kinder zuwinken, wo die Leute von der Veranda aufschauen um zu sehen, wer da kommt, wo die Antworten, wenn man anhält, um nach dem Weg zu fragen oder andere Auskunft zu erbitten, meist länger ausfallen als erwartet, wo die Leute wissen wollen, woher man kommt und wie lange man schon unterwegs ist.
Es ist jetzt ein paar Jahre her, dass meine Frau und ich und unsere Freunde zum erstenmal auf den Gedanken kamen, diese Landstrassen zu benutzen. Wir nahmen sie ab und zu, um mal was Neues auszuprobieren oder als Abkürzung zu einer anderen Fernverkehrsstrasse, und jedes Mal war die Landschaft großartig und wir waren hinterher froh und entspannt. Das wiederholte sich viele Male, bevor uns endlich aufging, was wir eigentlich von Anfang an hätten merken müssen: Diese Landstrassen sind mit den großen Fernstrassen überhaupt nicht zu vergleichen. Der Lebensrhytmus der Leute, die an diesen Strassen wohnen, ist anders, ihre ganze Art ist anders. Sie sind nicht ständig irgendwohin unterwegs. Sie sind nicht zu beschäftigt, um höflich zu sein. Sie kennen sich aus im Hier und Jetzt der Dinge. Nur die anderen, die vor Jahren in die Städte gezogen sind, und ihre verlorenen Nachkommen, die haben es fast völlig vergessen. Für uns war es eine richtige Entdeckung.
Ich habe mich oft gefragt, warum wir erst so spät darauf kamen. Wir sahen es und sahen es doch nicht. Oder besser gesagt, wir waren darauf abgerichtet, es nicht zu sehen. Vielleicht weil man uns eingeredet hatte, das wirkliche Leben spiele sich in den Großstädten ab, und das da sei nichts weiter als langweilige Provinz. Es ist wirklich eigenartig. Da klopft die Wahrheit an die Tür, und man sagt ihr: "Geh, ich warte auf die Wahrheit", und dann geht sie eben. Eigenartig.
Aber als wir es endlich wussten, konnte uns natürlich nichts mehr von diesen Strassen abbringen, an Wochenenden, an Feierabenden, in den Ferien. Wir sind richtige Landstrassenfans geworden mit unseren Motorrädern und haben mit der Zeit einiges dazugelernt.
Zum Beispiel haben wir gelernt, schon auf der Karte die richtigen Strassen ausfindig zu machen. Wenn die Linie sich schlängelt, ist das ein gutes Zeichen. Denn das bedeutet Berge. Wenn es sich aber um die mutmaßliche Hauptverbindung zwischen einer kleineren und einer großen Stadt handelt, dann ist das ein schlechtes Zeichen. Die besten Strassen sind immer diejenigen, die einen abgelegenen Flecken mit einem anderen verbinden und zu denen es eine Parallelstrasse gibt, auf der man schneller ans Ziel kommt. Fährt man von einer größeren Stadt aus nach Nordosten, dann geht es nie lange geradeaus. Kaum ist man auf dem flachen Land, schwenkt die Route nach Norden, dann nach Osten, dann wieder nach Norden, und schon bald ist man auf einer kleinen Landstrasse, die nur von den Einheimischen benutzt wird.
Vor allem aber muss man lernen, sich nicht zu verfahren. Da die Strassen nur von den Einheimischen benutzt werden, die sich sowieso auskennen, beschwert sich niemand, wenn die Kreuzungen nicht beschildert sind. Oft genug sind sie es nicht. Und wenn, dann höchstens mit einem kleinen Wegweiser, der unaufdringlich im hohen Gras am Straßenrand steht. Übersieht einer diesen Wegeweiser im Gras, dann ist das sein Problem, nicht das der Einheimischen. Obendrein stellt man fest, dass die Autokarten es mit den kleinen Landstrassen oft nicht so genau nehmen. Und immer wieder einmal passiert es einem, dass aus einer "Bezirksstrasse" ein Fahrweg wird, dann ein schmaler Feldweg, der auf eine Weide führt und einfach aufhört; oder man landet auf dem Hinterhof einer Farm.
So orientieren wir uns hauptsächlich an der Himmelsrichtung und der zurückgelegten Strecke und versuchen im übrigen, jeden Hinweis zu deuten, der sich uns bietet. Ich habe in einer Tasche einen Kompass für bedeckte Tage an denen man sich nicht nach der Sonne richten kann, und die Karte haben ich in einer Spezialtasche auf dem Benzintank befestigt, so dass ich die seit der letzten Kreuzung zurückgelegte Strecke verfolgen kann und immer weiß, worauf ich achten muss. Mit diesen Hilfsmitteln und ohne den Zwang, zu bestimmter Zeit irgendwo anzukommen, geht es wunderbar, und wir haben Amerika beinahe ganz für uns allein.
An verlängerten Wochenenden fahren wir auf diesen Strassen oft meilenweit, ohne einem anderen Fahrzeug zu begegnen, und dann kreuzen wir eine Fernverkehrsstrasse und betrachten die Autokolonnen, Stoßstange an Stoßstange bis zum Horizont. Drinnen missmutige Gesichter. Auf dem Rücksitz schreiende Kinder. Dann wünsche ich mir immer, dass es eine Möglichkeit gäbe, ihnen etwas zu sagen, aber sie sind so mssßmutig und haben es offenbar so furchtbar eilig, und außerdem......
Ich habe diese Sümpfe schon tausendmal gesehen, aber sie sind jedes Mal wieder neu. Es ist falsch, sie friedvoll zu nennen. Man könnte sie genauso gut als grausam und sinnlos bezeichnen, denn das sind sie auch, aber ihre Realität lässt Halbheiten nicht zu. Da! Ein riesiger Schwarm Sumpfhordenvögel fliegt aus seiner Nistkolonie in den Rohrkolben auf, durch unser Geräusch aufgeschreckt. Wieder gebe ich Chris einen Klaps aufs Knie..... dann fällt mir ein dass er das ja schon kennt.
"Was?", schreit er auch diesmal.
"Nichts."
"Sag doch."
"Ich wollte nur sehen, ob Du noch da bist", schreie ich, und dann wird kein Wort mehr gewechselt.
Wenn man nicht gerade gerne schreit, führt man auf dem Motorrad keine langen Gespräche. Lieber hält man die Augen offen und denkt über alles mögliche nach. Darüber, was man sieht und hört, über die Stimmung des Wetters und über Erinnerungen, über die Maschine und die Landschaft, durch die man fährt, denkt ausgiebig und in Ruhe über die Dinge nach, ohne Hast und ohne das Gefühl, Zeit zu verlieren.
Ich möchte gerne die vor uns liegende Zeit dazu nutzen, über manches zu sprechen, was mich schon länger beschäftigt. Wir haben es ja meistens so eilig, dass wir kaum einmal richtig zum Reden kommen. Die Folge davon ist ein tägliches seichtes Einerlei, eine endlose Monotonie, die uns nach Jahren verwundert fragen lässt, wo denn die ganze Zeit geblieben ist, und bedauern, dass sie unwiederbringlich dahin ist. Jetzt aber, da wir etwas Zeit haben und es auch wissen, möchte ich sie nützen und mit einiger Tiefe von Dingen reden, die mir wichtig scheinen.
Was ich mir vorstelle, ist eine Chautauqua - eine andere Bezeichnung fällt mir nicht ein - nach Art jener wandernden Sommerschulen, die einst mit ihren Zelten durch Amerika zogen, dieses Amerika, dasselbe, in dem wir uns jetzt befinden, und populäre Vorträge hielten, die erbauen und unterhalten, den Verstand schärfen und den Zuhörern Kultur und Aufklärung bringen sollten. Die Chautauquas mussten dem hektischeren Rundfunk, Film und Fernsehen weichen, und es scheint, dass dieser Wandel sich nicht nur zum Guten ausgewirkt hat. Vielleicht aufgrund dieser Veränderung fließt der Bewusstseinsstrom der Nation schneller und breiter aber er ist wohl auch seichter geworden. Die alten Kanäle fassen ihn nicht mehr, und auf seiner Suche nach neuen richtete er an seinen Ufern zunehmend Chaos und Zerstörung an. In dieser Chautauqua möchte ich keine neuen Bewusstseinskanäle ausheben, sondern lediglich die alten ein bisschen vertiefen, die angefüllt sind mit dem Schlick schal gewordener Gedanken und zu oft wiederholter Plattheiten. "Was gibt es Neues?" ist eine ewig interessante, ins Breite gehende Frage, die aber, geht man allein ihr nach, nur zu einer endlosen Kette von Trivialitäten und Modeerscheinungen führt, dem Schlick von morgen. Ich möchte mich statt dessen mit der Frage "Was ist das Beste?" befassen, einer Frage, die in die Tiefe geht statt in die Breite und deren Antworten den Schlick flussabwärts schwemmen können. Es gab in der Geschichte der Menschen Zeitalter, in denen die Kanäle des Denkens zu tief eingegraben und Veränderungen daher unmöglich waren; in diesen Epochen geschah nie etwas Neues, und die Frage nach dem "Besten" wurde dogmatisch entschieden, aber so ist es heute nicht mehr. Jetzt, so scheint mir, reißt der Strom unseres kollektiven Bewusstseins seine eigenen Ufer fort, kennt seine große Richtung, seine Bestimmung nicht mehr, überflutet die Niederungen und isoliert die Höhen, besinnungslos nur dem ungelenkten Antrieb gehorchend, den die Trägheit seiner Masse verleiht. Ein gewisses Vertiefen der Kanäle tut not.
Ich hoffe, dass so einige meiner hier festgehaltenen Gedanken und Gefühle auch Eure Seele ansprechen werden. Vielleicht in Form von Vertrautheit, Nachdenklichkeit oder neuen Eingebungen?
Wenn dem so sein sollte, würde ich mich freuen, wenn Ihr Eure Kommentare zu meinen Einträgen hinzufügt.
Falls Ihr mehr von mir erfahren wollt oder Euch nach weiterer Seelennahrung gelüstet, könnt Ihr mich seit dem 23. Januar 2003 auch auf meiner Homepage Seelennahrung.de.ms besuchen.
Es grüßt Euch herzlich,
Sarah-Lee